90 Jahre Freie Waldorfschule Hannover-Maschsee. Anlässlich dieses Jubiläums blicken wir zurück auf die Geschichte unserer Schule. Diesmal geht es um einen Altschüler, der in den USA Rockgeschichte geschrieben hat: „Ebenso merkwürdig war, was von seiner Schule erzählt wurde: Dort gingen nur die minderbegabten Kinder reicher Eltern hin, und sie würden in weißen Kleidern sonderbare Gymnastik treiben.“
Geboren, um wild zu sein.
Oder: Ein anderes Wort für Eurythmie.
24. August 1968: Der ehemalige Waldorfschüler John Kay stürmt als Frontmann von Steppenwolf die amerikanischen Charts.
Get your motor runnin’
Das Jahr 1968 beschert der nach einem Roman von Hermann Hesse benannten Bluesrockband den endgültigen Durchbruch: Am 24. August erreicht ihre Single „Born to be Wild“ Platz 2 der amerikanischen Billboard Charts - Gold-Status für Steppenwolf! Ein eingängiges, verzerrtes Gitarrenriff, ein stampfender Rhythmus und ein Sänger, der die Freiheit des Motorradfahrens besingt: „Get your motor runnin’ / Head out on the highway / Looking for adventure / In whatever comes our way“. Als Soundtrack für den Kultfilm „Easy Rider“ mit Dennis Hopper und Peter Fonda avanciert „Born to Wild“ zur weltbekannten Biker-Hymne, die bis heute in ungezählten Einsätzen der Popkultur zitiert oder neuinterpretiert wird. „Like a true nature Child / We were born, born to be wild“, heißt es im Refrain. „Wie ein echtes Naturkind sind wir geboren, geboren, um wild zu sein.“
Was nicht jeder weiß: Steppenwolf-Sänger John Kay, 1944 in Tilsit, Ostpreußen, geboren, heißt eigentlich Joachim Fritz Krauledat und verbringt seine Kindheit nach den Wirren des Krieges in Hannover. Hier besucht er die Waldorfschule am Maschsee, von der seine Mutter, eine Schneiderin, über ihre Kunden erfahren hatte. Hannover bleibt allerdings nur eine Zwischenstation. Noch als junger Mann verlässt Kay 1958 Deutschland und wandert mit seiner Familie zunächst nach Kanada aus, bevor es ihn Mitte der 1960er Jahre nach Kalifornien zieht, wo er Steppenwolf gründet.
Waldorfschule: Alles ansehen und dann auswählen
Rückblickend verweist Kay bei der Frage, was er nach so langer Zeit überhaupt noch von Deutschland in sich habe, auf seine Erfahrungen an der Waldorfschule: „Von den Lehrern habe ich Toleranz erfahren. Alle Mythologien, all die verschiedenen Kulturen und Wertesysteme der Welt nebeneinander. Die Jungen lernten stricken, es gab einen Garten, diese Tai-Chi-artige Gymnastik und Englisch von Anfang an. Ich glaube, dort habe ich das gelernt: alles ansehen und dann auswählen, was ich davon gebrauchen will.“
Zitate aus: Mathias Greffrath: Steppenwolf. Der Wilde von nebenan. ZEIT Magazin Leben 08/2008