Der Unterricht an der Waldorfschule gliedert sich in Haupt- und Fachunterricht. Der Hauptunterricht findet von der ersten bis achten Klasse täglich in den ersten beiden Schulstunden statt. Das zentrale Unterrichtselement im Hauptunterricht sind die Epochen. Die Klassenlehrer*innen behandelen dabei ein Stoffgebiet kontinuierlich über mehrere Wochen hinweg.
Die Epochen
Die Schüler*innen können sich so mit dem Stoff verbinden und haben genügend Zeit, um die verschiedenen Phasen sinnvollen Lernens zu durchlaufen: vom Wahrnehmen bis zum Verstehen, vom Üben bis zum Verarbeiten. Wir alle kennen den Rat: „Schlaf doch mal drüber!". Dahinter steckt die Erfahrung, dass ein Problem, das in die Nacht hinüber genommen wird, am nächsten Tag ganz anders aussieht oder neue Aspekte zeigt. Diese Lebenserfahrung wird in der Waldorfpädagogik bewusst für die Förderung von Lernvorgängen eingesetzt.
Epochen werden in den Fächern durchgeführt, in denen Sachgebiete in sich geschlossen behandelt werden können: Deutsch, Mathematik, Geometrie, Formenzeichnen, Geschichte, Erdkunde, Pflanzen-, Tier- und Menschenkunde, Physik, Chemie, Geografie, Physik und Himmels- und Gesteinskunde. Jedes Fach wird 2-4 Wochen lang täglich erteilt. Außerdem wird musiziert. Die Kinder singen, lernen zu flöten, rezitieren, malen, zeichnen und gestalten mit Ton oder Holz.
Rhythmus und Lebendigkeit
Junge Menschen fühlen sich nicht angesprochen von bloßer Wissensvermittlung. Der Hauptunterricht ist so gestaltet, dass im rhythmischen Wechsel Spannungen aufgebaut und wieder gelöst werden. So wird Schule lebendig. Die Schüler*innen nehmen auf, werden tätig, hören zu, erzählen nach, dürfen ernst und heiter sein. Der Unterricht atmet.
Im Hauptunterricht wird eine Waldorflehrer*in nicht alles bis zu Ende erklären sondern bewusst Fragen offen lassen. Bis zum nächsten Tag können die offenen Fragen weiterwirken, um dann mit tieferer Einsicht von den Schülern*innen neu aufgegriffen zu werden. Lehrer*innen und Schüler*innen erarbeiten und erleben die Lerninhalte künstlerisch: Bewegung, Farbe, Klang und Ton Melodie, Reim und Rhythmus durchdringen und beleben jedes Thema. So entstehen lebendige Begriffe, die „mitwachsen", sich mit der Reifung der Kinder verändern und lebenslanges Lernen vorbereiten.
Waldorflehrer*innen bemühen sich, den Unterrichtsstoff nicht abstrakt oder rein intellektuell zu vermitteln. So sind Buchstaben für sich genommen abstrakte Zeichen. Die Fähigkeit, Zeichen von Innen her mit Sinn zu beleben, entwickelt sich bei Kindern aber nur langsam. Die notwendige Sicherheit im Schreiben, Lesen und Rechnen gewinnen die Kinder, indem sie diese Grundfertigkeiten nicht nur in den entsprechenden Epochen erlernen, sondern darüber hinaus in fortlaufenden Übstunden festigen.
Oberstufe
In der Oberstufe gibt es keinen Hauptunterricht mehr im eigentlichen Sinn. Von der 9. bis zur 12. Klasse findet in den ersten beiden Stunden vertiefender Fachunterricht in den Hauptfächern statt: Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geografie und Kunstgeschichte. Dieser Unterricht erfolgt ebenfalls nach dem Epochenprinzip und wird von den jeweiligen Fachlehrer*innen erteilt. Die Schüler*innen haben keine Klassenlehrer*innen mehr, sondern Klassenbetreuer*innen. In der zehnten Klasse werden Zensuren eingeführt.